Fünf Jahre, nachdem die Bundeskanzlerin uns mit einem schlichten „Wir schaffen das!“ zum bürgerschaftlichen Engagement bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise aufgefordert hat, soll auch in Much Bilanz gezogen werden.
Insgesamt wurden unserer Gemeinde in den letzten fünf Jahren ca. 450 Flüchtlinge durch die Bezirksregierung zugewiesen. Die meisten stamm(t)en - wie im restlichen Bundesgebiet - aus Syrien, Afghanistan und dem Irak; viele waren junge Alleinreisende. Der Gemeinde gelang es, die meisten Familien mit Kindern in angemieteten Wohnungen dezentral unterzubringen, was sich als sehr vorteilhaft gegenüber großen Sammelunterkünften erwiesen hat.
Nach Aufruf der Kirchengemeinden und der Gemeindeverwaltung Much gründete sich bereits Ende 2015 die „Flüchtlingshilfe Much“ nach einer ersten Informationsveranstaltung im Jugendzentrum. Über 100 Mucher Bürger*innen haben sich in den letzten fünf Jahren in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde bei der Begleitung der Flüchtlinge kontinuierlich engagiert. Anfangs mussten Arzttermine organisiert und diverse Besuche bei der Ausländerbehörde, bei Integration Point und Jobcenter in Siegburg bzw. Troisdorf durchgeführt werden sowie Hilfestellung beim Verständnis und Ausfüllen unzähliger Formulare geleistet werden. Später stellte die Beschaffung von Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen eine besondere Herausforderung dar. Auch die Eingliederung der Kinder in Kindergärten und Schulen erforderte einen hohen Zeiteinsatz.
Der Arbeitskreis „Sprache“, der im Jugendzentrum schon vorher Sprachunterricht anbot und sich der Flüchtlingshilfe anschloss, wurde durch die Flüchtlinge besonders gefordert, da viele Flüchtlinge eine Alphabetisierung benötigten. Noch heute wird die Sprachförderung durch Neuangekommene nachgefragt und findet weiterhin statt.
Es wurden aus Mucher Spenden viele Fahrräder gesammelt, repariert und den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Im Frühjahr 2016 wurde das „Kleine Warenhaus“ am alten Schülchen gegründet, das - auch den Kunden der Mucher Tafel - u.a. auch Möbel, Haushaltswaren und Elektrogeräte anbietet.
Eine weitere Gruppe organisierte Fahrdienste für die Flüchtlinge, die zeitweise in unserem weitläufigen Gemeindegebiet mit verbesserungsbedürftiger Infrastruktur besonders nachgefragt wurden.
Darüber hinaus haben unabhängig von der „Flüchtlingshilfe“ viele Mucher Bürger*innen Flüchtlinge bei der Integration nachhaltig unterstützt - quasi als Nachbarschaftshilfe.
Ein Aktionsbündnis organisierte mit großem Einsatz mehrere gut besuchte Begegnungsfeste, die im Eichhof bzw. auf dem Gelände der Gesamtschule stattfanden.
Für Flüchtlingskinder sind die Mucher Sportvereine sehr wichtig: Allein beim VFR Marienfeld spiel(t)en über 20 Kinder in den diversen Jugendmannschaften; Trainer und Eltern übernehmen zudem den Transport der Kinder zum Training und zu den Spielen.
Mucher Bürger*innen und Unternehmen stifteten der Flüchtlingshilfe eine beachtliche Summe, die für viele Zwecke verwendet werden konnten. Stand zu Anfangs der Kauf von Lehrmaterial für den Sprachunterricht sowie die Reparatur der Fahrräder im Vordergrund, werden die Spenden nun primär für die zusätzliche Förderung der Flüchtlingskinder an den Mucher Schulen verwendet. Diese Förderung kann noch bis 2021 sichergestellt werden.
Heute leben noch ca. 250 Flüchtlinge in der Gemeinde; davon immer noch 150 Personen nicht in einer eigenen Wohnung. Viele Flüchtlinge sind in andere Städte gezogen, auch um besser Arbeit zu finden oder näher bei Verwandten oder Bekannten zu leben.
Viele Flüchtlinge sind inzwischen sozialversicherungspflichtig beschäftigt und kaum noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Auch in Much wissen wir von erfolgreichen Schul-, Lehr- und sogar Studienabschlüssen.
Insgesamt kann man also festhalten, dass bei uns die Integration der Flüchtlinge im Großen und Ganzen eine Erfolgsstory ist. Trotzdem soll auch nicht verschwiegen werden, dass Flüchtlingsarbeit auch mitunter frustrierend war und ist, teilweise wegen vieler bürokratischer Hindernisläufe, aber auch aufgrund unrealistischer Erwartungshaltung und mangelnder Eigeninitiative der Geflüchteten.
Wir haben viel geschafft, aber es bleibt noch einiges zu tun. Besonders schwierig ist und bleibt die Beschaffung von Wohnraum und ortsnahen Arbeitsplätzen. Auch die Förderung der Flüchtlingskinder in den Schulen, insbesondere im Bereich der Sprachförderung, stellt noch eine große Herausforderung dar. Wir sind auf weitere Unterstützer angewiesen!
Wenn Sie bei der Begleitung von Flüchtlingen helfen möchten, wenden Sie sich direkt an Wolfgang Engels unter Telefon: 02245-890911
Das nächste monatliche Treffen der Flüchtlingshilfe Much findet statt am
3. November 2021, 19 Uhr
in den Räumen der Evangelischen Kirche.
Asylbewerber aus Pakistan schließt erfolgreich Ausbildung ab.
Seit 2014 lebt Awais Karni, ein 29-jähriger Asylbewerber aus Pakistan in Much. Schnell hat er im Jugendzentrum Much eine Anlaufstelle gefunden und hat dort im Rahmen der gemeinnützigen Tätigkeit seine Deutschkenntnisse wesentlich verbessert. Awais Karni wollte aber nicht immer auf Sozialhilfe angewiesen sein und suchte daher eine Ausbildungsstelle, die seinen Fähigkeiten entsprach. Unterstützt und begleitet durch Gilda Wex-Beuke, Leiterin des Jugendzentrums, und der Flüchtlingshilfe Much fand Awais Karni eine Ausbildungsstelle als Bäcker bei der Bäckerei Frohn.
Obwohl Bäcker kein Wunschberuf von ihm war, entschied er sich, die Ausbildungsstelle anzutreten, um seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit der Zeit gewann Awais Karni immer mehr Freude daran, mit Lebensmitteln zu arbeiten und daraus selber etwas zu gestalten. Besonders viel Freude bereitete ihm das Backen von Broten. Im Vergleich zu seinem Herkunftsland Pakistan gibt es nämlich in Deutschland besonders viel Auswahl. Eine große Umstellung war zu Beginn der Ausbildung der veränderte Tagesrhythmus: Der Arbeitsbeginn lag zwischen 1 Uhr und 4 Uhr nachts.
Sowohl Roswitha und Rainer als auch Tobias Frohn berichten über einen gelungenen Ausbildungsverlauf. Nach anfänglichen Schwierigkeiten aufgrund der großen Bürokratie zeigten sich alle zufrieden, insbesondere aufgrund der hohen Motivation, Neugier und Aufmerksamkeit von Awais Karni. Auch in der Berufsschule erhielt Awais Karni von den Lehrkräften und seinen Mitschülern und Mitschülerinnen die notwendige Unterstützung, um die Ausbildung erfolgreich abzuschließen.
Aufgrund der positiven Erfahrungen ist die Bäckerei Frohn offen dafür, zu gegebenem Zeitpunkt erneut einen Asylbewerber oder Flüchtling einzustellen. Die Firma ist stolz auf die Entwicklung von Awais Karni und hat ihn daher nach erfolgreichem Abschluss als Geselle übernommen.
Ein besonderer Dank von Awais Karni gilt Gilda Wex-Beuke für die Unterstützung bei der Stellensuche und der Bäckerei Frohn für die Ausbildungs-möglichkeit sowie die Übernahme als Geselle.